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Kurz und knapp

Jeden Montagabend verwandelt sich der Club Charles Bronson in Halle unter der Hochstraße nahe der Berliner Brücke in einen lebendigen Treffpunkt für Hip-Hop-Enthusiasten. Hier treffen sich lokale Künstler, um selbstgemachte Beats und kreative Punchlines zu teilen. In einer Atmosphäre, die sonst für Elektroevents bekannt ist, sitzen sie auf Sofas und Lehnstühlen, während im Hintergrund frische Beats und spontane Cyphers das Geschehen bestimmen. Nora Bednarzik gibt uns mit diesem Beitrag einen lebendigen Einblick in diese wöchentlichen Sessions, die nicht nur für Hip-Hop-Fans, sondern für jeden offen sind, der die kreative und musikalische Energie der Stadt erleben möchte.

Wenn Halles Hip-Hop-Herzen höherschlagen, muss Montag sein. Denn immer zum Wochenstart treffen sich die Montagsmaler zum Austauschen selbst gebauter Beats und kreativer Punchlines.

Montags in Halle: Geheime Beats und Cyphers unter der Berliner Brücke

Wer sich an einem Montagabend nach 20 Uhr unter die Hochstraße nahe der Berliner Brücke in Halle verirrt, ahnt anhand der leeren Straßen nicht, was sich ganz um die Ecke abspielt.

Mit einem Ruck öffnet sich die schwere Eingangstür zum sonst vorrangig wochenends bevölkerten Club Charles Bronson. Aus dem Inneren sind schnelle Beats, Stimmen und das Klicken des Kickertischs zu hören. In dem abgedunkelten Raum mit Bar wimmelt es von Menschen, die sich, anders als zu den hier sonst häufig stattfindenden Elektroveranstaltungen, auf diversen Sofas, Lehnstühlen und Sitzbänken tummeln.

Im hinteren Teil des Raums werden frische Beats gebastelt und neueste Punchlines ausprobiert. Das Mikro wandert von Hand zu Hand, zwischen schrägen Anekdoten und bedeutungsschweren Texten wird miteinander gerappt, das meiste komplett spontan und aus der Situation heraus. Die Cypher, wie der freundschaftliche und improvisierte Sprechgesang in der Runde heißt, hat eine einnehmende Dynamik. Selbst weniger passionierte Hip-Hop-Fans entdecken sich dabei, im Takt der frei komponierten Elektrobeats mit dem Kopf zu wippen und über die ein oder andere akrobatische Textzeile zu grinsen.

Boogie: Das Mysterium hinter Halles Montagsmalern

Als Nächstes landet das Mikro bei Boogie, der nicht nur aufgrund seines dunklen Lockenkopfes, sondern vor allem durch eine unangefochtene Lässigkeit auffällt, mit der er eine um die andere haarscharfe Textzeile mit den Beats tanzen lässt und so ganze Geschichten erzählt. Boogie, dessen bürgerlicher Name ein größeres Mysterium als der Ursprung unseres Universums ist, gehört zu den Gründern des hier versammelten Hip-Hop-Kollektivs, den Montagsmalern. Wenn er nicht gerade am Mikro mit Worten jongliert, widmet sich der Künstler anderen musikalischen Projekten wie der Donnerstags-Session und lokalen Festivals, bemalt und gestaltet als Mitglied der Freiraumgalerie die weniger bunten Ecken der Stadt und gibt seine Kenntnisse in Musik und Wandmalerei gern in diversen Workshopformaten weiter.

Montagsmaler im Club Charles Bronson Halle (Saale), Musik
Wandbanner, Graffiti, schwarz weiß

Boogie erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Montagsmaler, kurz MoMa, weder einen Namen noch ein regelmäßiges Publikum hatten. Geboren 2012 in einer WG-Küche irgendwo in Halle und aufgewachsen in einem Hochhaus im Osten der Stadt, bezeichnet er die MoMa gern als das Ziehkind des heutigen Hip-Hop-Clans. Gemalt wurde hauptsächlich, als die MoMa noch in den Kinderschuhen steckten und eine Handvoll Freunde ihre Montagabende dem gemeinsamen Kreativsein widmeten, komplett ohne Musik. Daher auch der Name Montagsmaler, eine Anlehnung an die 70er-Jahre-Fernsehsendung mit Frank Elstner. Mit der Zeit kamen nicht nur immer mehr Mitglieder, Musik und Sprechgesang, sondern auch eine ganz besondere Leiter hinzu. Ausgestattet mit einem Brett, auf dem Mischpult und Beatmaschinen Platz fanden, wurde die ehemals bedeutungslose WG-Leiter bald zentraler Bestandteil der wöchentlichen Hip-Hop-Sessions.

Von Underground-Sessions zum Kulturphänomen: Die Evolution der Montagsmaler in Halle

Anfang 2013 – am zweiten Montag des Jahres, um genau zu sein – bekamen die MoMa dann ihr eigenes Zuhause in der legendären Landsberger Str. 16, einem Hochhaus im Osten Halles. Aus stundenlangen Hip-Hop-Sessions im Kreis einer Handvoll Rapper mit ein paar Kästen Bier entstand hier über fünf Jahre, was die Montagsmaler heute ausmacht. Die einstmals leerstehende Halle verwandelte sich in das „MoMa-Wohnzimmer“, die MoMa-Crew formierte sich in ihrer heutigen Zusammensetzung mit einem mehr oder weniger aktiven Kern aus zwölf Musiker:innen, Tonkünstler:innen und Rapper:innen. Darunter Pepe, rdy, FF.Merz, FreDoE, Mad Lee, Mastral und Boogie, die das Ganze aktiv organisatorisch am Laufen halten. Die MoMa wurden zu einer Institution Halles alternativer Veranstaltungsszene, mit mehr Publikum als Rapper:innen, mit Bar, Spielmöglichkeiten und zum Schluss auch Abendessen.

Aus „Yo, wir treffen uns montags zum Rappen und Chillen – so ganz unter uns“ wurde „Yo, wir treffen uns montags zum Rappen und Bespaßen der Menschen, die dann hier chillen“, inzwischen mit dem Charles Bronson als Heimathafen. Denn trotz des Verlusts des MoMa-Wohnzimmers vor vor ein paar Jahren, sowie einer Phase ohne richtiges Eigenheim, war aufgeben keine Option.

Denn seit Anfang 2013 finden die MoMa-Sessions ausnahmslos jeden, wirklich jeden, Montag statt und haben dabei bisher weder vor Silvester noch anderen gängigen Feiertagen Halt gemacht. Dadurch sind die Montagsmaler heute nicht nur ein fester Bestandteil des Nachtlebens der Stadt, sondern für viele ein musikalisches Zuhause. Neben dem kreativen Output geht es der MoMa-Crew um einen Freundeskreis, in dem sich Personen verschiedener Hintergründe für ein gemeinsames Hobby stark machen und dadurch zusammenwachsen.

Montagsmaler aus Halle (Saale), Kultur, Musik
Rapper von den Montagsmalern im Club Charles Bronson Halle (Saale), Musik, HipHop,

Montagsmaler: Mehr als nur Beats – eine kreative Familie!

So groß das Kollektiv heute ist, so vielseitig sind die Projekte seiner Mitglieder. Auch wenn die einzelnen Musiker:innen zeitweise ihre eigenen Wege gehen, so sind die MoMa doch so etwas wie das wöchentliche Großfamilientreffen, wo alle mal wieder vor einem Mischpult stehen und ein Mikro teilen. Wenn es nach der Crew geht, kann das gern noch lange so bleiben – nicht zuletzt, um Gleichgesinnte zu inspirieren und sich selbst am Mikrofon auszuprobieren. Für alle anderen sind die MoMa ein Zufluchtsort, wo es sich dem sonst recht unbeliebten Wochenstart mit frischen Beats, unschlagbaren Bierpreisen und einer zugleich gemütlichen wie ausgelassenen Atmosphäre entkommen lässt.

Willkommen, sind alle Neugierigen mit einem offenen Ohr für taufrische Texte, egal ob zum Zuhören, Mitwippen, Kickerturniere ausfechten oder um selbst am Mikro mitzumischen. Neuzugang wird immer gern gesehen, sei es mit Rap, Beatsbauen, Auflegen, Tanzen, Malen oder was auch immer zum Vibe beiträgt. Mit ein bisschen Glück bietet sich zudem die Gelegenheit, bei einer der legendären Kniffelrunden anzutreten und einen Platz auf der internen Bestenliste sowie in den Herzen der Crew zu gewinnen. Doch seid gewarnt: Diese Partien dauern gern mal eine halbe Ewigkeit und sind nichts für schwache Nerven.

Die Montagsmaler findet ihr auf YouTube und Facebook und zur Cypher geht es jede Woche hier.

Wer schreibt hier eigentlich?

Wer schreibt hier eigentlich?

Nora

Nora, Texterin und chronische Weltenbummlerin, kam für ihr Studium der Interkulturellen Europawissenschaften nach Halle und fand hier ihr Zuhause. Ihr erster Besuch bei einer WG-Party weckte eine tiefe Sympathie für die Stadt, die selbst Leipzig übertraf. Seit über sechs Jahren erkundet sie jede Ecke von Halle, immer auf der Suche nach neuen Erlebnissen und in Gesellschaft ihrer Freunde. Ob in Clubs, auf Ausstellungen oder beim Late-Night-Shopping, Nora ist überall dabei. Trotz gelegentlicher Ausflüge bleibt sie Halle treu, begeistert von der familiären Atmosphäre, die die Stadt einzigartig macht.

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