Kurz und knapp
Julia Fenske ist Fotografin und erzählt in ihrem Projekt die vielfältigen Geschichten von Halle-Neustadt. Mit ihren Bildern möchte sie die bunte Freizeitkultur und das lebendige Stadtleben zeigen und so Vorurteile gegenüber diesem Stadtteil abbauen. Sie kam 2010 nach Halle, verliebte sich in die Stadt und entwickelte ihre Leidenschaft für Fotografie weiter.

„Ich will etwas über Halle erzählen, weil es meine Wahlheimat ist.“ Trifft man sich mit der freischaffenden Fotografin Julia Fenske, Jahrgang 1985, hat sie natürlich eine Kamera dabei. Überall können Motive lauern, überall können fotografische Geschichten erzählt werden.
Von Wilhelmshaven nach Halle
Julia ist in Wilhelmshaven geboren, doch obwohl sie von klein auf mit der Kamera experimentierte, hat sie sich erst in Halle beruflich emanzipiert. So waren 2010 die Wege eigentlich schon vorgezeichnet, Julia hatte in Wilhelmshaven ein Studium der Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen, ein Job in Oldenburg war eingetütet. Und dann kam alles anders.
Schockverliebt in die Saalestadt
Julia erzählt rückblickend: „Ich wollte noch etwas anderes probieren. Und gerne in den Osten.“ In Halle konnte sie ohne Numerus clausus Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität studieren, ihren ersten Schnupperbesuch in der Saalestadt im Jahr 2010 beschreibt sie heute so: „Ich war schockverliebt.“ Schnell war ein WG-Zimmer gefunden, schnell bestätigte sich der Eindruck, Julia schätzt „die Verbindlichkeit und das offene Wort“ der Hallenser:innen.
Noch während ihres zweiten Studiums, das sie 2015 abschloss, begann sie, nebenberuflich zu fotografieren – mal für die Bühnen Halle, mal für Stadtmagazine, mal für überregionale Magazine oder Tageszeitungen. Julia kommt fast ins Schwärmen: „Die Mieten in Halle sind bezahlbar, schnell sind Netzwerke aufgebaut, die Stadt ist nicht zu groß. Und dennoch gibt es viel Platz für Kreativität, viel Grün und tolle Kneipen, in denen man spannende Menschen trifft.“


Wegweisendes Studium an der Ostkreuzschule
Die gute Infrastruktur, die zahlreichen fotografischen Auftragsarbeiten, Ausstellungen und der berufliche Mut, den man auf eigenen Beinen stehend in der Fremde entwickeln kann, sind das eine. Die Existenzgründung als Selbstständige, die Akzeptanz und das Überleben als Freischaffende in bestehenden Künstler- und Marktstrukturen das andere. Mit dem Studium an der renommierten Berliner Ostkreuzschule für Fotografie und Gestaltung gelang Julia 2017 ein entscheidender Schritt. Hilfreich war dabei auch eine Jobberaterin in Halle – in einer kulturgeprägten Stadt kennt man die Lebensprozesse junger Künstler:innen.
Bis 2020 pendelte Julia regelmäßig zur Ostkreuzschule. Die Ausbildung musste sie selbst finanzieren, Zweifel und materielle Sorgen gehörten dazu. Aber in den drei Berliner Jahren verfeinerte sie ihren Blick; Julia lernte, fotografische Geschichten zu erzählen.
Geschichten über die Lebensart in Halle-Neustadt
Ihre Abschlussarbeit an der Ostkreuzschule ist ein Geschenk an ihre Wahlheimat. Julia, die auch Fotoonlinekurse für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung in Sachsen-Anhalt gibt, berichtet entschlossen: „Ich will den Klischees über Halle-Neustadt etwas entgegensetzen.“ So hat sie über 83 (!) gut organisierte Gruppen, Initiativen und Vereine in Halle-Neustadt ausfindig gemacht.
Die Spannbreite reicht vom Seniorenbowling über die Wasserhandballer und Gymnastikgruppen bis zu einem Jugendblasorchester oder einem Verein zur Stadtbegrünung. Die inhaltliche Klammer der entstandenen Gruppenporträts, die Julia nicht nur in Berlin, Halle und anderen Städten ausstellen, sondern auch in Buchform bringen wird, sind schlichtweg das vielfältige Freizeitinteresse, der Alltag und die Lebensart in Halle-Neustadt. Die Fotografin beschreibt den Fokus ihrer Arbeiten, der auch für andere Projekt gilt, so: „Es geht um die Aura des Menschen. Wenn sich das, was ich sehe und fühle, auch im Foto widerspiegelt, bin ich glücklich.“

Eine Zukunft in Halle
Ihre Zukunft sieht Julia in Halle: „Von hier aus ist man schnell in ganz Deutschland. Gefühlt ist hier noch alles möglich, Halle ist noch keine perfekt durchgestylte Stadt. Für kreativen Mut gibt es noch viel Raum zum Ausprobieren und Verwirklichen.“